Kreis Heinsberg. Ulrike Flach, seit Mai Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, gibt sich keinen Illusionen hin: »Gesundheitspolitik ist keine Beglückungspolitik.«
Vielmehr sei es Aufgabe der Politik, den unendlich schwierigen Weg einer Gratwanderung zu gehen – zwischen hohen Kosten und knappen Kassen auf der einen Seite sowie einer guten medizinischen Versorgung auf der anderen. Es gehe darum, dass die Beiträge für die Versicherten »nicht ins Unermessliche steigen«, aber auch darum, dass die Akteure im Gesundheitswesen »nicht die Brocken hinwerfen«.
Dies sagte die Politikerin mit dem liberalen Parteibuch bei einer Diskussionsveranstaltung des FDP-Kreisverbandes Heinsberg, zu der am Donnerstagabend knapp 30 Interessierte in das Restaurant Janses Mattes an der B 221 gekommen waren. Verbesserungen seien zu erreichen, aber: «Ein Schlaraffenland werden wir nicht schaffen können», fügte Flach rasch hinzu.
In der vom FDP-Kreisvorsitzenden Andreas Rademachers geleiteten Diskussion wurde der Gedanke einer Grundversicherung mit Wahl-leistungen, die »obendrauf« zu versichern seien, angesprochen. »Das ist ein urliberales Modell«, so Flach, »aber wir sind nicht allein an der Regierung.«
Zunächst einmal sei es für die aktuelle Bundesregierung um die leidige Aufgabe der Kostendämpfung gegangen; zugleich müsse dabei aber die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems erhalten werden. Rund neun Miliarden Euro seien eingespart worden. Die Kassen stünden wieder auf soliden Beinen. Die Versorgung sei auch in den nächsten Jahren »wirklich verlässlich zu garantieren«; einige würden – voreilig – sogar schon über Beitragssenkungen diskutieren.
Die Staatssekretärin sprach verschiedene Gesetzesvorhaben an. Zum Infektionsschutz: um Tausende von Infektionen in Krankenhäusern zu vermeiden. Zur Versorgungsstruktur: um Anreize zu schaffen, damit Ärzte sich auch in ländlichen Regionen niederlassen. Oder zur Optimierung der Organspende: um mehr Organspenden zu erreichen, auch in Zukunft ohne Zwang, auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhend, so Flach.
Die Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge als einkommens-unabhängige Arbeitnehmerbeiträge verteidigte Flach, wobei sie den Sozialausgleich aus Steuermitteln betonte. Über die Zusatzbeiträge sei – nach den Zeiten des Einheitsbeitrags – ein neuer Wettbewerb unter den Kassen entstanden.
Kritische Töne
Die FDP-Politikerin musste sich auch kritische Töne anhören: Da war mit Blick auf das Gesundheitssystem von einem »Schrotthaufen« die Rede, von »Flickschusterei« und von einer Reglementierung »wie im Kommunismus«.
Die ambulante Versorgung sei in einem katastrophalen Zustand. Aus Reihen der Ärzteschaft wurde eine angemessene Vergütung für die Behandlung von Kassenpatienten gefordert. Die Hinweise der Staatssekretärin, das Honorarsystem werde flexibilisiert und regionalisiert, werde gerechter und transparenter, konnten nichts an der Ärzte-Forderung ändern:
»Wir brauchen Geld!« Die Politikerin entgegnete: »Wir haben das Geld nicht, um zusätzliche Milliarden in die Ärzteschaft zu pumpen.« »Wir brauchen das Geld für die Kranken«, so lautete eine Reaktion. Aber Flach blieb dabei: »Wir können nur mit dem Geld arbeiten, das wir haben.« Worauf sie sich die Frage gefallen lassen musste, warum denn Milliarden eingespart worden seien, wenn nicht genug Geld da sei…
Für Ulrike Flach, die das Prinzip der Selbstverwaltung der Ärzteschaft betonte, eine Diskussion über die Legalisierung von Sterbehilfe ablehnte, die anstehende Pflegereform als »schwierigen Akt« bezeichnete und eine straffere Ausbildung von mehr Ärzten forderte, ist klar: »Im Gesundheitssystem gibt es einen Kampf der verschiedenen Leistungserbringer um die sehr knappe Ressource der Beiträge.« Aber ein System, in dem jeder so wirtschafte, wie er wolle, gehe nicht: »Wir müssen die Balance halten.«
Anregung in der Apotheke mitgenommen
Bei einem Besuch in der St.-Gangolfs-Apotheke von Heinz Nießen in Heinsberg informierte sich Ulrike Flach auch über die Problematik der vor zwei Jahren eingeführten Lieferverträge zwischen Krankenkassen und Medikamentenherstellern.
Wenn nach langwieriger Recherche im Internet endlich das Präparat bei dem Hersteller gefunden sei, mit dem die Krankenkasse vertraglich verbunden sei, dieser Hersteller dann aber nicht in der Lage sei zu liefern, dann, so Nießen, »haben wir unsere Zeit umsonst mit Computerspielchen vertan.«
Problematisch sei auch, so Nießen, wenn die Kassen häufig ihre Vertragspartner wechseln würden. Dann bleibe die Apotheke auf bereits bestellten Medikamenten der alten Vertragspartner sitzen. Die Staatssekretärin nahm die Anregung mit, darauf hinzuwirken, dass Medikamentenhersteller zumindest die Verfügbarkeit ihrer Präparate auf ihren Internetseiten deutlich machen.
Beeindruckt nach Gespräch im Kreishaus
Im Heinsberger Kreishaus sprach Ulrike Flach bei einem Informationsbesuch mit Kreisdirektor Peter Deckers und dem Leiter des Kreisgesundheitsamtes, Dr. Karl-Heinz Feldhoff.
Sie vermittelten ihr einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Gesundheit im Kreis: von der Gesundheitskonferenz bis zu zahlreichen grenzüberschreitenden Projekten.
Angesprochen wurde auch die aktuelle Kommunalisierung im Rettungsdienst.
Versorgungsstrukturen im Gesundheitsbereich sowie Ausbildungsprobleme im Bereich der medizinischen Berufe sowie im Rettungsdienst wurden ebenfalls erörtert.
»Es war ein sehr intensives und ergiebiges Gespräch«, resümierte Kreisdirektor Peter Deckers. Es sei deutlich zu spüren gewesen, wie beeindruckt die Staatssekretärin von den vielfältigen Aktivitäten und funktionierenden Strukturen im öffentlichen Gesundheitswesen im Kreis Heinsberg gewesen sei.